Vorsorgevollmacht




© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Arnd T. May, Hartmut Kreß, Torsten Verrel und Till Wagner (Hrsg.)Patientenverfügungen10.1007/978-3-642-10246-2_17


17. Vorsorgevollmacht



Reinhold Spanl 


(1)
Nepomukweg 3, 82319 Starnberg, Deutschland

 



 

Reinhold Spanl



Der Sinn einer Vorsorgevollmacht besteht darin, für den Fall einer alters- oder unfallbedingten Gebrechlichkeit durch die Beauftragung einer bestimmten Person den Eintritt einer gerichtlichen Betreuung zu verhindern (siehe hierzu § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Man spricht deshalb von einer Vorsorgevollmacht, weil der Bevollmächtigte in der Regel erst dann handeln soll, wenn beim Vollmachtgeber selbst Handlungsunfähigkeit eintritt, die Vollmacht somit vorsorglich erteilt wird. Soweit der Bevollmächtigte sofort nach Erteilung zu einer Vertretungshandlung berechtigt werden soll, handelt es sich um eine normale Vollmacht. Der Gesetzgeber unterscheidet diese Formen allerdings nicht (siehe §§ 1896 Abs 2 S. 2, 1901 S. 2, 1904 Abs. 5, 1906 Abs. 5 BGB), wenn er allgemein von Vollmacht spricht.


17.1 Umfang der Vollmacht


Im BGB ist die Vorsorgevollmacht nicht eigenständig geregelt. Das Gesetz und seine Überschriften verwenden diesen Begriff nur an wenigen Stellen in speziellen Zusammenhängen (z. B. § 1908f Abs. 1 Nr. 2a BGB; § 1901c BGB in der Überschrift; § 6 Abs. 2 BtBG). Unter einer Vorsorgevollmacht ist eine „normale“ Vollmacht zu verstehen, die geeignet und bestimmt ist, eine Betreuung zu verhindern. Das Wesen der Vorsorgevollmacht besteht darin, dass der Bevollmächtigte erst von ihr Gebrauch machen soll, wenn der Vollmachtgeber alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu erledigen (siehe auch § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Voraussetzungen ergeben sich aber nicht aus der Vollmacht selbst, sondern aus dem zugrunde liegenden Innenverhältnis. Deshalb könnte der Bevollmächtigte auch dann schon aus einer „Vorsorgevollmacht“ handeln, wenn die im Innenverhältnis bestimmten Voraussetzungen (noch) nicht eingetreten sind. Dieses Handeln wäre auftragswidrig; die vom Bevollmächtigten getätigten Geschäfte aber wirksam. Im Übrigen steht nichts entgegen, eine umfassende Vollmacht zu erteilen, die zu einem sofortigen Handeln ermächtigt, ohne dass die Handlungsunfähigkeit beim Vollmachtgeber eingetreten sein muss – nur handelt es sich dann eben nicht um eine „Vorsorgevollmacht“.

Man sollte durch die Vollmacht eine umfassende Vertretungsmacht erteilen (Einbeziehung aller Lebensbereiche), denn nur dadurch kann man definitiv verhindern, dass ein gesetzlicher Betreuer vom Gericht für die Besorgung solcher Aufgaben bestellt wird, die nicht durch die Vollmacht abgedeckt sind. Erstreckt sich z. B. die Vollmacht ausdrücklich auf alle Vermögensangelegenheiten und die Einwilligung bzw. Nichteinwilligung in ärztliche Maßnahmen, fehlen jedoch Anordnungen zur Einwilligung in eine Freiheitsentziehung (§ 1906 Abs. 5 BGB), muss ein Betreuer bestellt werden, wenn z. B. die Einwilligung in die Anbringung eines Bettgitters erforderlich wird.

Man wird in der Regel eine sog. Generalvollmacht erteilen („Vertretung in allen Angelegenheiten“), und daneben diejenigen persönlichen Aufgaben extra aufführen, die eine gesonderte Erwähnung erfordern; diese Bereiche werden durch eine Generalvollmacht nicht abgedeckt. Ferner ist zu beachten, dass in einigen ausländischen Staaten die bevollmächtigte Person nur in Angelegenheiten handeln darf, die in der Vollmacht ausdrücklich benannt sind. Es empfiehlt sich immer, in der Vollmacht die (wichtigen) Ermächtigungen einzeln zu bezeichnen.

Eine Vollmacht kann nicht nur für vermögensrechtliche Angelegenheiten, sondern auch für personenbezogene Bereiche erteilt werden. Selbst die Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff sowie deren Verweigerung oder der Abbruch einer solchen Maßnahme, kann man durch Vollmacht regeln. Ebenso sind eine freiheitsentziehende Unterbringung oder eine Maßnahme, auf Grund der eine Freiheitsbeschränkung bzw. Freiheitsentziehung durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum und regelmäßig erfolgen kann, über eine Vollmacht regelbar.

Die zu diesen Maßnahmen bestehende Vollmacht muss schriftlich erteilt sein und die Maßnahmen ausdrücklich umfassen (§§ 1904 Abs. 5, 1906 Abs. 5 BGB).


Formulierung einer Vollmacht

Die bevollmächtigte Person darf in allen Angelegenheiten der Gesundheitssorge entscheiden, ebenso über alle Einzelheiten einer ambulanten oder (teil-)stationären Pflege. Sie ist befugt, meinen in einer Patientenverfügung festgelegten Willen durchzusetzen.

Sie darf insbesondere in sämtliche Maßnahmen zur Untersuchung des Gesundheitszustandes und in Heilbehandlungen einwilligen, auch wenn diese mit Lebensgefahr verbunden sein könnten oder ich einen schweren oder länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleiden könnte (§ 1904 Abs. 1 BGB).

Die Vollmacht umfasst die Nichteinwilligung oder den Widerruf der Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff, die lebensverlängernd oder lebenserhaltend wirken, auch dann, wenn die begründete Gefahr besteht, dass ich auf Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme sterben sollte oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleiden könnte (§ 1904 Abs. 2 BGB).

Die bevollmächtigte Person darf unter den in § 1906 Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen in eine ärztliche Zwangsmaßnahme einwilligen, wenn sie meinem natürlichen Willen widerspricht. Er kann die Einwilligung widerrufen, wenn die Voraussetzungen weggefallen sind.

Krankenunterlagen dürfen eingesehen und deren Herausgabe an Dritte bewilligt werden. Ich entbinde alle mich behandelnden Ärzte und nichtärztliches Personal gegenüber meiner bevollmächtigten Vertrauensperson von der Schweigepflicht.

Die von mir bevollmächtigte Person darf über meine Unterbringung mit freiheitsentziehender Wirkung (§ 1906 Abs. 1 BGB) und über freiheitsentziehende Maßnahmen (z. B. Bettgitter, Medikamente u. ä.) in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung (§ 1906 Abs. 4 BGB) entscheiden, solange dergleichen zu meinem Wohle erforderlich ist. Die Maßnahmen sind nicht auf die beispielhafte Aufzählung beschränkt.


17.2 Geschäftsfähigkeit bei Vollmachterteilung


Nur ein Geschäftsfähiger kann wirksam eine Vollmacht erteilen. Nach dem Gesetz ist grundsätzlich jeder volljährige Mensch geschäftsfähig. Eine Ausnahme von dieser Regel enthält § 104 Ziff. 2 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist (Kap. 15).

Bei der privatschriftlichen Errichtung der Vollmacht wird in der Regel keine Feststellung zur Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers getroffen sein; selbst bei der öffentlichen Beglaubigung der Unterschrift durch einen Notar oder den Mitarbeiter der Betreuungsbehörde wird diesbezüglich keine Prüfung vorgenommen – nur bei eindeutig erkennbarer Geschäftsunfähigkeit ist die Beglaubigung abzulehnen. Lediglich bei einer Beurkundung der Vollmacht muss sich der Notar nach § 11 BeurkG von der Geschäftsfähigkeit überzeugen und Zweifel in der Niederschrift vermerken.


17.3 Person des Bevollmächtigten


Die Person des Vertrauens wird in der Regel ein Angehöriger oder eine sonst sehr nahestehende Person sein. Befindet sich der Vollmachtgeber in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung und steht der Bevollmächtige zu diesen Einrichtungen in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung, kann die erteilte Vollmacht grundsätzlich eine Betreuerbestellung nicht verhindern (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB i. V. m. § 1897 Abs. 3 BGB).

Man kann auch mehrere Personen bevollmächtigen, und zwar entweder zu einer gemeinschaftlichen Vertretung, oder man gibt jedem ein Alleinvertretungsrecht. Auch kann man ein gemeinschaftliches Handeln nur für bestimmte Geschäfte vorschreiben. Wird die Vollmacht mehreren Personen, insbesondere Abkömmlingen so erteilt, dass sie nur gemeinschaftlich vertretungsberechtigt sind, ist allerdings darauf zu achten, dass gerade in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge unter Umständen schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen. Wenn hier einer der Bevollmächtigten nur umständlich erreicht werden kann, dürfte eine so gestaltete Vollmacht praxisuntauglich sein. Es empfiehlt sich daher zumindest, die Ausübung der Vollmacht in wichtigen Bereichen jedem Bevollmächtigten allein zu gestatten. Vorzuziehen ist es, jedem der mehreren Bevollmächtigten ein uneingeschränktes, und nicht auf bestimmte Bereiche beschränktes, Alleinvertretungsrecht einzuräumen.

Unbedingt ist auch zu bedenken, ob man für den Fall, dass der zunächst Bevollmächtigte ausfällt, einen Ersatzbevollmächtigten bestimmt. Der Ersatzfall kann eintreten beim Tod des Bevollmächtigten, dessen Handlungsunfähigkeit durch Beeinträchtigung seiner Geistestätigkeit, schwerer Krankheit oder Abwesenheit. Auch sollte der Fall erfasst werden, dass der Bevollmächtigte von sich aus die Vollmachtstätigkeit nicht mehr ausüben will. Wichtig ist, dass die Voraussetzungen des Eintritts der Ersatzbevollmächtigung nicht in der Vollmachtsurkunde selbst, sondern nur im Innenverhältnis definiert sind, sonst würde der Ersatzbevollmächtigte jedes Mal den erforderlichen Nachweis zum Eintritt der Bedingung erbringen müssen.

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Nov 5, 2016 | Posted by in CRITICAL CARE | Comments Off on Vorsorgevollmacht

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