Schmerz und Schmerztherapie

  

Therapie

Stufe 1

Schwache Schmerzen

Nicht-Opioide + Ko-Analgetika

Stufe 2

Starke Schmerzen

Schwachwirksame Opioide

+ Nicht-Opioide

+ Ko-Analgetika

Stufe 3

Stärkste Schmerzen

Starkwirksame Opioide

+ Nicht-Opioide

+ Ko-Analgetika



Die Therapie kann auf jeder Stufe des WHO-Schemas beginnen. Nicht-Opioide und Opioide werden häufig kombiniert, um die Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente zu reduzieren.


25.4.1.1 Nicht-Opioide


Bei der Verwendung von Nicht-Opioiden sind in besonderer Weise die Dosierungsempfehlungen zu beachten: Bei Überschreiten von Maximaldosierungen drohen einerseits Nebenwirkungen mit gravierenden Organschäden, bei Unterschreiten einer ausreichenden Dosierung bleibt auch der erwünschte Effekt schnell aus.

Metamizol (Novalgin®) wirkt analgetisch, temperatursenkend, krampflösend, aber nicht entzündungshemmend. Gravierende Nebenwirkungen sind bei oraler und rektaler Gabe selten. Bei rascher intravenöser Gabe kann es zu starken Blutdruckabfällen bis hin zum Schock kommen. Die befürchtetste, aber sehr seltene Komplikation ist die Agranulozytose – eine akute, lebensbedrohliche Verminderung einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen.

Paracetamol ist ein schwaches Analgetikum mit temperatursenkenden Eigenschaften. Bei intravenöser Gabe ist es analgetisch infolge suffizienter Plasmaspiegel wirksamer. Bei Überschreiten der Tageshöchstdosis von 4 g beim Erwachsenen über einen längeren Zeitraum kann es durch toxische Abbauprodukte zu Leberschäden bis hin zum Leberversagen kommen.

Entzündungshemmende Analgetika, sog. NSAIDs (non-steroidal anti-inflammatory drugs (engl. „Nichtsteroidales Antirheumatikum“)) (z. B. Diclofenac, Ibuprofen) und selektive Cyclooxygenase-Hemmer, sog. COX-2-Hemmer (z. B. Celecoxib, Etorecoxib) sind hochpotente Medikamente mit antiphlogistischen (entzündungshemmenden), antipyretischen (fiebersenkenden) und analgetischen Effekten. Hauptindikation sind akute nociceptive Schmerzen mit einer Entzündungskomponente.

Nebenwirkungen der NSAID sind eine erhöhte Blutungsgefahr durch Funktionshemmung der Blutplättchen und ein erhöhtes Risiko für Magenschleimhautentzündungen und Magenblutungen. Das Risiko von Magen-, Darmblutungen steigt mit Dosis und Dauer der Behandlung, daher ist die gleichzeitige Gabe von Medikamenten zur Blockung der Magensäure notwendig.

Bei COX-2-Hemmern ist das Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen geringer, dennoch empfiehlt sich bei längerer Anwendung ein Magensäurehemmer. Bei Menschen mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen (Diabetiker, Hypertoniker, Raucher) muss wegen der Gefahr von Komplikationen des Herz-Kreislaufsystems und der Blutgerinnung eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Eine Sonderstellung nimmt das Flupirtin ein, ein zentral wirksames Nicht-Opioidanalgetikum mit gleichzeitig relaxierender Wirkung auf die Skelettmuskulatur. Es hat keine fieber- und entzündungshemmenden Eigenschaften. Wegen nicht selten auftretender Lebertoxizität ist die Anwendungsdauer auf 14 Tage beschränkt, Laborkontrollen sind obligat.


25.4.1.2 Opioide


Opioide wirken schmerzhemmend durch Bindung an Opioidrezeptoren, die sowohl im zentralen wie im peripheren Nervensystem vorkommen und im Gehirn in vielfältiger Weise das subjektive Schmerzerleben beeinflussen.

Wichtige Nebenwirkungen der Opioide sind die Dämpfung von Schutzreaktionen des Organismus vor noxischen (schädlichen, von lat. noxa „der Schaden“) Reizen. Es kommt zur Hemmung der Atmung und des Hustens, zur Abnahme der Vigilanz (Aufmerksamkeit), zur Veränderung der Stimmungslage (Eu- und Dysphorie) sowie zur Erregung des Brechzentrums. Außerdem können Juckreiz und motorische Enthemmungsphänomene (Myoklonien) hervorgerufen werden. Andere unerwünschte Effekte sind Hemmung der Darmmotorik, Tonuserhöhung am Ausgang des Gallengangs, Blutdrucksenkung, Histaminfreisetzung und Verengung der Atemwege bei entsprechend prädisponierten Patienten.

Werden diese Medikamente zum ersten Mal verabreicht, sollte in der Initialphase der Patient ein Medikament zur Dämpfung von Übelkeit und Erbrechen erhalten. Da Opioide Verstopfungen begünstigen, ist die zusätzliche Einnahme eines Laxans (Abführmittel) häufig notwendig.

Zu den schwachen Opioiden zählen Tramadol, Tilidin/Naloxon, Dihydrocodein und Codein. Die Verabreichung dieser Präparate in Retardform kann in 12-stündlichen Intervallen erfolgen, was die Patienten als angenehm empfinden. Diese Präparate unterliegen nicht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV). Die schnellwirksame Darreichungsform (Nichtretardform) in Tropfenform bei Tramadol und bei Tilidin/Naloxon kann bei besonderen Belastungen (Mobilisation, absehbare körperliche Belastung) und bei Schmerzspitzen kurzfristig zum Einsatz kommen. Werden sie über längere Zeit eingenommen, können Gewöhnungseffekte bis hin zu psychischer Abhängigkeit mit Dosiseskalation resultieren. Aus diesem Grund ist seit 2013 die kurzwirksame Form von Tilidin BtMVV-pflichtig.





  • Tramadol ist ein partieller Opioidagonist. Nachteil des Tramadols ist die oftmals starke Übelkeit. Bei leber- und niereninsuffizienten Patienten sollte Tramadol vorsichtig eingesetzt werden, evtl. unter Dosisreduktion. Tramadol scheint Vorteile in der Behandlung neuropathischer Schmerzen aufzuweisen, ist aufgrund eines häufigen Enzymdefektes in der Leber bei jedem 10. Patienten ohne Wirkung!


  • Tilidin/Naloxon: Tilidin wird in der Leber zum aktiven Metaboliten Nortilidin umgewandelt, bei Leberinsuffizienten tritt daher ein Wirkverlust auf. Ein Vorteil ist dagegen die Möglichkeit einer unveränderten Gabe bei Niereninsuffizienz. Der Zusatz von Naloxon vermindert die Häufigkeit der opioidbedingten Obstipation.


  • Dehydrocodein (DHC) ist vorteilhaft bei Patienten mit anhaltendem Hustenreiz (z. B. bei Bronchialkarzinom).

Die hochpotenten Opioide der WHO-Stufe III unterliegen in Deutschland der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Zu ihnen gehören Morphin, Buprenorphin, Hydromorphon, Oxycodon, Fentanyl und Tapentadol. Alle starken Opioide hemmen die Darmfunktion, so dass bei längerdauernder Anwendung eine Prophylaxe der drohenden Verstopfung mit entsprechender Diät und Laxantien (Abführmittel) obligatorisch ist. Da Patienten zu Beginn einer Opiattherapie häufig mit Übelkeit reagieren, ist eine medikamentöse Prophylaxe für mehrere Tage sinnvoll.



Nov 5, 2016 | Posted by in CRITICAL CARE | Comments Off on Schmerz und Schmerztherapie

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