Humanistischer Verband Deutschlands zu den Fragen des Lebensendes




© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Arnd T. May, Hartmut Kreß, Torsten Verrel und Till Wagner (Hrsg.)Patientenverfügungen10.1007/978-3-642-10246-2_10


10. Humanistischer Verband Deutschlands zu den Fragen des Lebensendes



Horst Groschopp 


(1)
Erzgebirgische Str. 22, 08056 Zwickau, Deutschland

 



 

Horst Groschopp




10.1 Grundsätze


Fast die Hälfte aller Deutschen und achtzig Prozent der Konfessionsfreien (das ist heute mehr als ein Drittel der Bevölkerung) stimmen der humanistischen Lebensauffassung zu: „ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben frei von Religion und dem Glauben an einen Gott …, das auf ethischen und moralischen Grundüberzeugungen beruht“ (Forsa 2007).

Auf diese Bekenntnisrealität reagiert der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) als Weltanschauungsgemeinschaft und politisch. In seiner lebenshelfenden Praxis, inklusive der individuell abgefassten Optimalen Patientenverfügungen, wendet er sich in seiner Praxis jedoch erfolgreich an alle Menschen, unabhängig von den jeweiligen Bekenntnissen, allerdings vor dem Hintergrund der Werte von Selbstbestimmung und -verantwortung. So wird z. B. stets gefragt, ob Sterbebeistand durch einen Vertreter einer Kirche, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft oder einer anderen Organisation gerufen werden soll.

Humanismus ist übersetzbar als Lehre von der Menschlichkeit. Das Wort ist Ende des 18. Jahrhunderts zuerst in Deutschland eingeführt worden. Es kommt ursprünglich von humanitas (lat.) und bedeutet Barmherzigkeit, Bildung und Menschenwürde (Groschopp 2011). Daran anknüpfend gibt es keinen Humanismus ohne Humanität. Der HVD versteht unter Humanismus eine internationale, historisch gewachsene, an Demokratie und Aufklärung orientierte Kulturbewegung, die bis in die Antike zurückreicht, deren Grundsätze sich in den Menschenrechten spiegeln, die in den Verfassungen zunächst Europas und Amerikas und heute in den Vereinten Nationen ihren Niederschlag finden.

Sein eigener Beitrag im Streiten für mehr Menschlichkeit besteht darin, dass der HVD in Deutschland die humanistische Idee hinsichtlich ihres Kerns – den einzelnen Menschen ohne transzendente Rückbindung als gleichen anderen Menschen zu betrachten und zu behandeln – zuspitzt und Humanismus als eine Weltanschauung pflegt. Er befördert Humanismus auf nicht-religiöser Grundlage, respektiert jedoch alle anderen Zugänge zur Humanität.

Der HVD hat sich ein Humanistisches Selbstverständnis gegeben, eine Art Credo (HVD 2011a). Seine Mitglieder eint die Überzeugung, dass ein moderner praktischer Humanismus im Kern darin besteht, dass Menschen ein verantwortliches Leben führen können, ohne sich dabei religiöser Glaubensvorstellungen bedienen zu müssen. In der aufgeklärten und sozial orientierten Ethik des Verbandes gelten die folgenden Grundsätze: Selbstbestimmung, Weltlichkeit, Respekt, Solidarität und Kritikfähigkeit. Der Humanismus des HVD anerkennt, dass Menschen nicht nur rational denken und handeln, sondern in Abhängigkeit von ihrer Natur und Kultur leben und glauben.

Als Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik (Art. 4 Abs. 1 und Art. 140 GG i. V. m. dem inkorporierten Art. 137 Abs. 7 Weimarer Reichsverfassung) wurde der HVD am 14. Januar 1993 gegründet. Einzelne ihm angehörende Verbände sind über 150 Jahre alt und vier von ihnen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Der HVD ist zugleich ein bundesweiter Interessenverband für konfessionsfreie Menschen, die sich humanistisch orientieren und engagieren. Er versteht sich nicht als Freidenkerverein zur Beförderung des Kirchenaustritts.

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Nov 5, 2016 | Posted by in CRITICAL CARE | Comments Off on Humanistischer Verband Deutschlands zu den Fragen des Lebensendes

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