Abb. 24.1
Das respiratorische System
Diese Zweiteilung hat praktische Relevanz für die Indikationsstellung zur Beatmung und damit letztlich auch Einfluss auf den Inhalt der Patientenverfügung, vor allem bei Patienten mit fortgeschrittenen chronischen Lungenerkrankungen.
24.1.3.1 Akute Erkrankung
Im Rahmen von akuten Erkrankungen können sowohl das Lungenparenchym als auch die Atemmuskulatur versagen; nicht selten kommt es auch zu Kombinationen beider Störungen.
Eine lebensbedrohliche Störung des Lungenparenchyms, beispielsweise im Rahmen einer Lungenentzündung (Pneumonie), führt im Wesentlichen zu einer Störung der Sauerstoffversorgung des Organismus (Hypoxämie bzw. hypoxische Insuffizienz). Das Kohlendioxid kann meistens noch ausreichend abgeatmet werden. Bei dieser Patientengruppe reicht häufig die Sauerstoffgabe. Eine Beatmung ist nur bei schwergradigen Erkrankungen des Lungenparenchyms erforderlich.
Die andere Hauptursache für akute Atmungsinsuffizienz ist die Überlastung der Atemmuskulatur, beispielsweise infektbedingt durch eine hochgradige Einengung der Bronchien wie beim Asthmaanfall. Aber auch neurologische Erkrankungen mit Störung der Atmungsmuskelfunktion können zum Atmungsversagen führen. Hierbei kommt es zu einer Verminderung der Atmung (Hypoventilation) im Verhältnis zum Sauerstoffbedarf und es sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut, jedoch nicht so stark wie bei der Störung des Lungenparenchyms. Im Vordergrund steht bei dieser Störung, dass CO2 nicht ausreichend abgeatmet wird und so dessen Gehalt im Blut steigt (Hyperkapnie bzw. hyperkapnische Insuffizienz).
In Tab. 24.1 werden wichtige Erkrankungen mit Atmungsinsuffizienz aufgeführt.
Tab. 24.1
Erkrankungen mit Atmungsinsuffizienz
Pathophysiologischer Bereich | Krankheit |
---|---|
Nervale Steuerung | Zwerchfellparese Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) |
Atemmuskel | Muskeldystrophie Duchenne Post-Polio Syndrom |
Atemwege | COPD Mukoviszidose |
Lungenparenchym | Lungenfibrose |
Lungenemphysem | |
Thoraxwand | Skoliose Post-TBC Syndrom |
Bei den durch akute Erkrankungen vital bedrohten Patienten ist Beatmung eine unverzichtbare und oft lebensrettende Therapieform. In dieser Situation ergeben sich für die Patientenverfügung aus unserer Sicht keine spezifischen Empfehlungen.
Bei den prinzipiell reversiblen akuten Lungenerkrankungen mit Beatmungspflichtigkeit ergeben sich keine spezifischen Empfehlungen für die Patientenverfügung, da in der Regel alle Möglichkeiten der verfügbaren Beatmungstechnik genutzt werden, um die Genesung der Lunge zu erreichen. Nicht selten benötigt dieser Prozess eine länger dauernde Beatmung.
24.1.3.2 Chronische Lungenerkrankungen
Einen besonderen Stellenwert haben Aussagen in der Patientenverfügung zu Aspekten der Beatmung bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, da ihnen aufgrund des langen Krankheitsverlaufes im Grunde ausreichend Zeit zur Verfügung steht, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
In Analogie zu den oben aufgeführten akuten Erkrankungen lassen sich die chronischen Lungenerkrankungen ebenfalls in die beiden Krankheitskategorien, hypoxämische und hyperkapnische Insuffizienz, aufgliedern.
24.1.3.2.1 Lungenfibrose
Ein typischer Vertreter der chronisch hypoxischen Lungenerkrankungen ist die Lungenfibrose, bei der das Lungengewebe inklusive Alveolen und Blutgefäße zunehmend in den Vernarbungsprozess einbezogen wird, was zur Gasaustauschstörung führt. Kommt es nach kontinuierlicher Verschlechterung in der Endphase der Grunderkrankung zum Atmungsversagen, so empfehlen wir höchste Zurückhaltung bei einer künstlichen Beatmung, da hieraus erfahrungsgemäß eine perspektivlose Dauerbeatmung wird. Im Einzelfall bilden Ausnahmen von dieser Empfehlung frühe Formen der Lungenfibrose, bei denen durch eine Therapie des akuten Infektes oder Krankheitsschubes wieder genügend funktionsfähiges Lungengewebe zur Verfügung steht. Diese Patienten sind vor dem akuten Ereignis noch gut belastbar. Sie können z. B. noch ein Stockwerk gehen, ohne stehen bleiben zu müssen, und benötigen noch keine Sauerstofflangzeittherapie.
Lungenfibrose möglichst nicht beatmen:
Bei Patienten mit Lungenversagen infolge fortgeschrittener Lungenfibrose sollte auf eine invasive Beatmung verzichtet werden, da fast immer eine ausweglose Langzeitbeatmung droht.
24.1.3.2.2 COPD/Emphysem
Im Vergleich zur relativ seltenen Lungenfibrose ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit Emphysem (griech. emphysama „das Eingeblasene“; Verlust der Lungenoberfläche), auch COPD (engl. chronic obstructive pulmonary disease) genannt, mit einem Vorkommen von bis zu 15 % der Bevölkerung eine regelrechte Volkskrankheit. Laut WHO zählt die COPD zu den häufigsten Erkrankungen dieses Jahrhunderts (Vogelmeier et al. 2007).
Entscheidung bei COPD stark einzelfallabhängig:
Bei der COPD kommt es durch die chronische Entzündung der Bronchien zu deren Einengung (sogenannte Obstruktion der Atemwege (lat. obstructio „Störung, Sperrung“)). Häufige Begleiterkrankung ist das Lungenemphysem. Ursache ist meistens das Inhalationsrauchen, wobei bei älteren Menschen (insbesondere Frauen) auch wiederholte Atemwegsinfekte ursächlich in Frage kommen. Gerade bei COPD erfordert die individuelle Entscheidung für oder gegen Beatmung viel Erfahrung.
Patienten mit COPD bzw. Emphysem, die im Endstadium ihrer Erkrankung ohne akuten Krankheitsschub (Exazerbation, lat. exacerbatio „aufstacheln“) eine lebensbedrohliche Ateminsuffizienz entwickeln, sollten eine invasive Beatmung ablehnen.

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